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Familienmodelle - Interview mit Walter Steindl

 

 

Willkommen zu unserem Podcast „Schwanger was jetzt“. In unserer heutigen Folge geht es um die Frage nach Familienmodellen, was war früher, was ist heute? Was ist praktikabel, was ist impraktikabel? Schwierigkeiten, vor denen man heute steht. Als Gesprächsgast habe ich heute wieder Walter Steindl hier.

 

Walter: Danke für die Einladung. Was qualifiziert mich hier darüber zu sprechen. Ich bin nicht nur Sozialarbeiter, Lebens- und Sozialberater, sondern auch Supervisor und ich komme oft in der Beratung oder Begleitung mit Menschen auf Themen die ein bisschen über dem einzelnen Fall liegen, also auf grundsätzliche Dinge. Und auf das Thema Familienmodelle bin ich nicht nur in meiner eigenen Biographie gestoßen, sondern auch in der Beratung. Dass wir in unserem westlichen System diese Kleinfamilie propagieren, was sich auch schon in der Architektur ausdrückt. Wohnungen mit 60m2 oder diese Einfamilienhäuser, da heißt ja schon so, EIN FAMILIEN Häuser und nur ganz wenige exotische und innovative Leute reden von „Mehrgenerationen Häusern“ und all diesen Sachen, als wäre das etwas ganz Neues.

In Wirklichkeit ist das aber das Ursprüngliche, davon bin ich nicht nur persönlich überzeugt, sondern das würden auch Soziologen sagen. Dass diese Kleinfamilie ein künstliches Produkt ist von Arbeitsbedingungen aus dem 19. Jahrhundert, wo die Industrie Arbeiter gebraucht hat, sie kamen vom Land und haben ihre Frauen mitgebracht oder gefunden und haben dann halt in Kasernen gelebt mit ihren Familien, klein und beengt. 12 Stunden Arbeit am Tag, da bleibt nicht mehr viel über. Das Ursprüngliche im ländlichen Bereich, das sieht man auch heute noch und wenn man an die Urzeiten des Menschen zurückdenkt, wo wir noch Jäger und Sammler waren, da ist es ganz sicher so gewesen, das sieht man ja bei den wenigen Menschen die es noch gibt in dieser Lebensform, in Asien, in Afrika. Da sieht man das noch, die leben nicht Kleinfamilienstruktur, sondern hier leben Mann und Frau schon noch zugeordnet in einer Verbindung, Ehe, vielleicht nicht für immer aber für eine gewisse Zeit. Das Besondere ist, dass die Kinder, die in solchen Systemen geboren werden, von allen als ihre Kinder betrachtet werden. Das heißt du hast nicht ein Kind als Mutter und Punkt, sondern du hast als Mutter der Gruppe ein Kind gegeben und die Kinder der Gruppe sind auch deine Kinder. Also aus der Sicht des Kindes macht das einen riesigen Vorteil. Du hast jetzt nicht nur Vater, Mutter, Punkt, und Großväter in Salzburg oder Onkels, die in Amerika arbeiten, was für ein Kind eigentlich uninteressant ist, weil diese Person nicht erreichbar ist. Sondern du hast vielleicht sogar dutzende Leute die in Beziehung zu dir stehen und die Zeit für dich haben die etwas mit dir tun oder vielleicht Konflikte hast oder wo du beobachtest wie sie Konflikte lösen. Das ist Schule, von Anfang an.

Für das Paar ist es der große Vorteil, dass sie mit dem Kind nicht zusammenpicken, sondern sie können auch Zeit für sich selber arrangieren, weil immer jemand oder mehrere da sind, die mit den Kindern etwas tun. Andererseits kann man auch mit anderen Kindern üben, wie es ist, wenn ein Kind 10 oder 12 Jahre ist, man hat sozusagen die Übungsmodelle überall herumlaufen. Man kann das auch beobachten und ist mit dem eigenen Kind dann nicht so überfordert, weil es gibt immer Beispiele wie es andere mit anderen Kindern gemacht haben. Es ist wie eine Schule und Lebensform in einem natürlich aber auch mit allen Problemen, die es gibt, wie Streit zum Beispiel aber man ist nicht so auf sich gestellt und so einsam in dem „Eltern sein“.

 

Barbara: Das ist sehr gut. Gott sei Dank sind wir heutzutage in einer Zeit, wo ja auch viele Paare, einen großen Freundeskreis, viele Freunde und Familie haben. Ich habe zum Beispiel eine Freundin mit Zwillingen, die gerade alleinerziehend ist, aber trotzdem ihre Eltern hat, die ihr die Kinder abnehmen, wenn sie können. Der Vater des Kindes kommt zumindest am Wochenende. Unter der Woche hat er eher weniger Zeit, jedoch kommen hie und da die Schwiegereltern, die sich um die Kinder kümmern. Und wenn Not am Mann ist, versuche auch ich einzuspringen. Es ist wie bei meinen Brüdern, ich habe ja selbst 6 Neffen, worüber ich sehr glücklich bin und die ich sehr liebe. Wenn ich nicht gerade krank bin, versuche auch ich mir die Zeit frei zu schaufeln, dass ich einmal auf meine Neffen aufpassen kann. Und ich finde das sehr schön. Letzte Woche, als ich bei meinem Bruder zu Besuch war, war das so ein tolles Erlebnis. Als ich gekommen bin, standen bereits meine Neffen vor der Tür, ich hatte quasi mein persönliches Begrüßungs-Komitee, dass es schöner gar nicht geben könnte. Juhu, die Tante Barbara ist wieder da. Es ist schön als Tante für die Kinder da zu sein und das mitzubekommen.

 

Walter: Das ist richtig und gleichzeitig ja auch das Problem, was sie gesagt haben. Die Tante ist weit weg und muss ja auch anreisen, der Neffe hat seine Tante nicht in der Nachbarschaft. Da gibt es einen treffenden Spruch, „Besser ein Freund in der Nähe, als ein Bruder in der Ferne.“ Denn genau darum geht es, dass man verfügbar ist. Dass alles in der Nähe ist. Und unsere Arbeitswelt und die Digitalisierung macht es nicht unbedingt leichter. Das reißt es nur noch stärker auseinander. Leute fahren sehr weit, um arbeiten zu können, müssen manchmal sogar das Land wechseln und dadurch zerreißen diese Bande. Wenn wir jetzt umgekehrt versuchen, einen Weg zu suchen, um die Situation zu verbessern, dann müssten wir versuchen diese ursprünglichen, alten Strukturen nachzubauen.

Das heißt, ich mache Nachbarschaftsnetzwerke oder aktivere diese. Was auch wichtig wäre, sind religiöse Gemeinschaften, also Kirchen. Kirchen versuchen hier wieder Nähe herzustellen, die Kirche versteht sich ja im christlichen Sinn auch als Brüder und Schwester, das heißt wir haben wieder Familie mit der ganzen Dimension der Familie. Die älteren Leute werden nicht allein gelassen, Jüngere finden in Älteren Ansprechpartner. Junge Paare haben andere, die sie unterstützen und die vor allem in unmittelbarer Nähe sind, wir reden hier von Gehdistanz, nicht mit dem Auto herumzufahren oder gar mit dem Flugzeug wohin zu fliegen. Da ist eine große Verantwortung dafür und auch Lebensschutzbewegungen versuchen hier auch etwas zu tun, indem sie vor Ort Betreuungsangebote installieren. Wir versuchen etwas nachzubauen, was ursprünglich sehr natürlich vorhanden war, zum Beispiel Selbsthilfegruppen für Mütter, Mütterrunden. Das klingt ganz künstlich jedoch was heißt es. Da sind Leute in der gleichen Lebensphase und haben Austauschbedarf oder Unterstützungsbedarf und sie machen das einfach. Die Plattform zur Verfügung zu stellen kann ein wichtiger Gemeinschaftsdienst sein, den Kirchen oder Lebensschutzorganisationen durchführen. Die Zeit früher war nicht besser als die jetzige Zeit, nur was ich hier anmerken möchte, dass das Standardfamilienmodell eine Sache ist, die jungen Paaren nicht hilft über die ersten Hürden hinweg zu kommen, die den Kindern vor allem nicht hilft eine breite Palette von Kinderbetreuungspersonen ansprechbar, in der Nähe zu haben und daher muss man versuchen das nachzubauen, so gut es halt geht, damit die Vielfalt erhalten bleibt und Stress vermindert wird und dadurch Konflikte, oder Scheidungen verhindert werden.

 

Barbara: Und es ist glaube ich auch wichtig, alte Menschen einzubinden, vor allem Großeltern, weil die haben ja auch das Wissen haben und den Kindern weitergeben können. Die sind vielleicht im ersten Moment nicht so agil, aber die Kinder sind auch nicht blöd und wissen immer ganz genau, wen sie überfordern können und bei wem sie sich mehr zusammennehmen müssen. Spannenderweise sind die wildesten Kinder bei einem älteren Menschen, wenn sie merken, der ist gebrechlicher auf einmal ganz ruhig werden und sich viel mehr im Zaum halten. Und ich glaube das würde älteren Menschen helfen, dass sie sich nicht so im Stich und, oder allein gelassen fühlen 

 

Walter: Wir reden hier zum Beispiel auch von dem Thema Demenz. Das wird ein großes Thema sein, weil wir immer mehr alte Leute haben. Das heißt zum Glück können wir Menschen helfen wirklich alt zu werden, das heißt, dass man nicht früh an Krankheiten stirbt und die Lebensqualität verlängern kann. Aber was tut man, wenn die Leute dabei dement werden. Der Körper ist noch in Ordnung, aber das Gehirn ist in einem Zustand wo man Sorgen haben muss. Das heißt, das wird noch ein Riesenthema sein, das noch auf uns zukommt. Alternde Gesellschaft mit vielen dementen Leuten. Früher sind Leute bestimmt auch dement geworden, allerdings, wenn man mit 50 stirbt, hat die Demenz keine Chance sich auszubreiten. Und wie kann man Demenz anhalten? Ganz klar durch aktiv bleiben, durch tätig bleiben, durch gefragt werden, durch Aufgaben haben. Und was ist schöner für den alten Menschen, als bei der Entwicklung von Kindern dabei zu sein und eine Rolle zu spielen. Diese Menschen werden später dement werden, auch wenn ich kein Demenzforscher bin und werden gesünder bleiben, weil sie sich mit den Kleinen bewegen müssen, also körperlich und geistig länger fit bleiben und eine höhere Lebensqualität bis ins Alter haben.

 

Barbara: Das stimmt. In diesem Sinne verabschieden wir uns heute. Ich möchte nur noch aufmerksam machen, dass wir an jedem 4. Donnerstag bei uns um 10:00 eine Selbsthilfegruppe haben und jeder ist gerne herzlich dazu eingeladen. Sie heißt „In guter Hoffnung“. Zielgruppen sind eben genau junge Familien, Alleinerziehende, dass man sich ein Netzwerk schafft, dass man sich austauschen kann, auch austauschen kann bezüglich Hilfe, vielleicht neue Freunde finden, Unterstützung finden. Und wenn einer schon ein Kind hat, ist es nicht schwer auch auf ein zweites Kind aufzupassen. Die Kinder spielen eh gerne auch mit anderen Kindern oder gleichaltrigen.

 

Und damit wünsche ich euch einen wunderschönen Tag oder eine gute Nacht,

wann immer ihr diesen Blogbeitrag lest.

 

Viel Freude,

eure Rosa Blume

 

 

 

 

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