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Kaiserschnitt – Interview mit Dr. Kucera-Sliutz

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Liebe Leserinnen und Leser!

 

 

Heute mache ich ein Interview mit Frau Kucera-Sliutz, sie ist Gynäkologin und sie hat sich bereit erklärt mit uns Themen abzuarbeiten, die wir immer wieder in unserer Beratung mitbekommen. Heute wollen wir uns dem Thema des Kaiserschnitts widmen, weil wir in der Beratung die Erfahrung gemacht haben, dass viele Frauen bei dem Gedanken an einen Kaiserschnitt Panik bekommen, beziehungsweise Frauen, die schon einen oder mehrere Kaiserschnitte hatten und wieder schwanger werden sehr viel Angst davor haben noch einmal einen Kaiserschnitt zu haben oder glauben, dass sie aus gesundheitlichen Gründen eigentlich kein Kind mehr bekommen dürften und auf keinen Fall mehr einen Kaiserschnitt haben dürften. Es gab früher dieses Gerücht, dass man nicht mehr als drei Kaiserschnitte haben darf. Wir haben uns deshalb gedacht, dass wir deswegen eine Spezialistin interviewen, damit wir wirklich die Fakten präsentieren können und auch euch lieben Hörern wirklich einen Rat geben und das ganze Drama herausnehmen können, wenn bei euch so ein Fall auftreten sollte. Grüß Gott, Frau Doktor.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Grüß Gott, hallo.

 

 

Barbara: Schön, dass Sie da sind. Jetzt habe ich gleich einmal die Frage wie das mit dem Kaiserschnitt aussieht. Warum werden Kaiserschnitte gemacht und wie viele Kinder darf man de facto per Kaiserschnitt entbinden? Wie ist das, wenn man schon einen Kaiserschnitt hatte, muss der dann bei der zweiten Geburt zwangsläufig ebenfalls sein? Das sind jetzt viele Fragen auf einmal, aber darüber werden wir nun im Folgenden sprechen.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Ich fange jetzt einfach mal mit der letzten Frage an. Prinzipiell können dreiviertel aller Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten, ganz normal und unkompliziert spontan entbinden. Das sind einfach die internationalen Daten, die uns das zeigen. Also wie gesagt, von vier Frauen können drei ganz normal entbinden nach einem Kaiserschnitt. Es gibt natürlich Faktoren, die das positiv beeinflussen. Ganz wichtig ist nach einem Kaiserschnitt, dass spontan Wehen kommen. Das heißt, wenn eine Frau am Termin nicht spontan Wehen bekommt und auch nach dem Termin nicht, würde ich sonst klassischerweise eine Einleitung machen, das darf ich nach dem Kaiserschnitt nicht, also man darf keinerlei Wehen fördernde Mittel einsetzen, um sozusagen eine Geburt einzuleiten. Natürlich kann man mit Homöopathie und Akupunktur und anderen Mittelchen ein bisschen nachhelfen, aber im Prinzip keine medikamentöse Einleitung. Wenn die Kinder sehr groß sind, dann ist es manchmal auch so, dass spontan keine Wehen kommen und das ist eigentlich ein bisschen ein negativer Parameter bei sehr großen Kindern über 4kg. Wenn keine Wehen kommen und ich eigentlich eine Einleitung bräuchte, dann klappt das oft mit der Spontangeburt nicht. Ja, das wäre mal die erste Frage.

 

 

Barbara: Noch zwischendurch eine kurze Frage für alle Zuhörer, die nicht wissen was eine Spontangeburt ist.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Also eine Spontangeburt ist eine vaginale Geburt, die sozusagen von selbst startet, wo von selbst Wehen kommen, wo von selbst der Blasensprung kommt und so eine Geburt verläuft normalerweise ohne großartige Hilfsmittel ab. Es ist aber auch eine Spontangeburt, wenn zusätzlich ein Kreuzstich gegeben wird, um die Schmerzen einzudämmen oder um den Geburtsvorgang ein bisschen fortschreiten zu lassen. Also auch das ist eine Spontangeburt.

 

 

Barbara: Also mit anderen Worten, eine natürliche Geburt.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Also das war mal der erste Themenkomplex, ob eine normale Geburt möglich ist nach einem Kaiserschnitt und die Antwort ist Ja! Die zweite Frage war glaube ich die, warum so viele Kaiserschnitte gemacht werden. Das ist ein sehr weites Thema. Zum einen ist es nun einmal so, dass – wenn man es ganz entwicklungsgeschichtlich ansieht – Kinder heutzutage größer werden als früher. Wir haben eine große Anzahl an Kindern, die über den früher üblichen 3000 Gramm liegen. Die Kinder, die heutzutage auf die Welt kommen, sind mindestens 3500 bis 4000 Gramm schwer, also deutlich mehr. Dementsprechend ist eine natürliche Geburt manchmal schwieriger, weil das Kind größer ist. Dadurch haben wir natürlich auch viele Komplikationsgeburten, es gibt Frühgeburten, künstliche Befruchtungen oder die Mütter sind älter bei der Geburt, da gibt es Risiken. Man muss schon auch sagen, dass wir schon auch später Mütter werden, weil die Ausbildung der Frauen auch im Zentrum der Lebensplanung steht und es ist ganz natürlich, dass man dann auch später Mutter wird und je älter die Schwangere ist – und da spreche ich jetzt nicht von 25 oder 30 – sondern da geht es darum ob man schon jenseits der 40 ist und ob man künstliche Maßnahmen zu Hilfe gezogen hat, oder ob man halt 20 und schwanger ist. Also das mütterliche Alter und auch das kindliche Geburtsgewicht führen dazu, dass tendenziell mehr Kaiserschnitte gemacht werden müssen und natürlich bei Früh- oder Mehrlingsgeburten, die auf Grund der künstlichen Befruchtung einfach häufiger vorkommen als früher, das kann auch ein Grund sein, warum ein Kaiserschnitt notwendig wird.

 

Wenn ich nun ein bisschen weiter ausholen darf. Wir leben auch in einer Welt der Sicherheit, wir wollen auf jeden Fall das perfekte Baby, das auf jeden Fall gesund ist, das ist ja ganz klar. Früher war das erstens gar nicht möglich, weil es keine Pränataldiagnostik gegeben hat, es sind früher auch Kinder mit leichten Behinderungen auf die Welt gekommen, das findet heute eigentlich seltener statt. Durch die Pränataldiagnostik kann man schon sehr früh sagen, ob das Kind gesund ist, das ist ja auch gut, aber teilweise hat es natürlich auch dazu geführt, dass die Eltern das perfekte Kind wollen. Es darf auf keinen Fall etwas passieren. Die Rechtslage ist so, dass der Gynäkologe auf jeden Fall haftet, wenn irgendetwas passiert und dieses Risiko wird nicht gerne eingegangen, weder von Seiten der Gynäkologen noch von Seiten der Mutter. Es gibt in fast jeder Geburt einen kurzen Zeitraum, wo das Kind zeigt, dass es ein bisschen Stress hat. Das kann in der Öffnungsphase sein, wenn der Muttermund aufgeht, das kann aber auch in der Austreibungsphase sein, wenn das Kind kommt. Da gibt es immer kurze Phasen, wo die kindliche Herztonschreibung zeigt, dass das Kind gerade Stress hat. Da ist es so, dass der Gynäkologe hier die Verantwortung trägt und sagen muss, so das ist jetzt noch in Ordnung, da können wir noch warten, wir versuchen umzulagern, wir versuchen das „durchzustehen“ und schauen, ob sich das Kind erholt oder ob der Gynäkologe sagt, ja das Kind hat zu viel Stress, wir machen einen Kaiserschnitt, das ist sicherer. Da kommt den Gynäkologen eine teilweise grausame Aufgabe zu, weil sie sagen müssen, sie wissen, was sein wird. Sehr oft erholt sich die kindliche Herztonschreibung dann und es wäre vielleicht kein Kaiserschnitt notwendig gewesen, manchmal können solche Veränderungen im kindlichen Herztonmuster aber zeigen, dass das Kind zum Beispiel die Nabelschnur um den Hals hat oder auch um den Fuß oder den Bauch oder es gibt sonst irgendein Hindernis wie zum Beispiel eine Beckenschaufel, die nicht ganz so steht, wie es halt günstig wäre.

 

Ich gehe immer davon aus, jeder will nur Gutes und jeder will nur gut helfen ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen und deshalb wird vielleicht manchmal zu früh die Entscheidung getroffen, dass ein Kaiserschnitt sein muss. Im Nachhinein weiß man dann oft, dass die Entscheidung gut war und manchmal gibt es einfach nicht fassbare Ursachen, warum ein Kind jetzt unter der Geburt gestresst war. Aber in der heutigen Sicherheitsmedizin, wo auf keinen Fall etwas sein darf, wird halt tendenziell häufiger dann ein Kaiserschnitt gemacht. In manchen Ländern der Welt, beispielsweise in Brasilien oder Washington DC, ist die Kaiserschnittrate bei 75%, also da kommt nur noch eines von vier Kindern normal und auf natürlichem Wege auf die Welt und die anderen drei mittels Kaiserschnitt. Da ist man einfach dazu übergegangen, dass man gesagt hat, das ist einem zu gefährlich, sowohl dem Gynäkologen als auch der Frau, man möchte es planen, man möchte wissen wann und wo und wer dabei ist und vielleicht noch aszendent und uhrzeitgenau mitbestimmen, dann geht das halt nur mittels Kaiserschnitt. Alles andere ist unsicher, unsicher im Sinne von wann wird es sein, wie wird es sein und wie geht es aus. Das sind wir heute nicht mehr gewöhnt. Wir sind in einer machbaren Welt, in einer Welt, in der wir glauben alles bestimmen zu können und das ist halt bei der Geburt plötzlich alles komplett anders. Das Kind entscheidet wann es kommen will und das Kind entscheidet auch wie lange es dauert, natürlich können wir medizinisch einiges helfen, aber trotzdem bleibt es ein natürlicher Vorgang, der von der Natur bestimmt wird und das macht uns alle unsicher, sowohl die Gynäkologen, als auch die Mütter.

 

 

Barbara: Schade eigentlich, weil die Natur bietet ja Gott sei Dank Überraschungen, wodurch das Leben ja spannend wird.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Ja, es müssen halt immer gute Überraschungen sein, das muss ich schon dazu sagen, aber im Prinzip ist Kinder kriegen das natürlichste der Welt. Ich sage immer zu Frauen, die sehr unsicher sind: Denken Sie daran, Milliarden von Menschen sind ganz spontan, ganz natürlich auf die Welt gekommen. Ich glaube, heutzutage wird auch auf das Können so viel Druck gemacht. Bei der Geburt muss man nichts können, nichts trainieren und nichts machen, das ist einfach ein Naturvorgang und ich glaube, man muss diese innere Sicherheit auch als Frau wiederfinden, dass man sagt, ja das ist normal, das wird so sein, ich werde mein Kind kriegen und dass man sich ein bisschen auch der Natur auch übergibt und vielleicht auch den betreuenden Händen.

 

Es kommen manchmal Patientinnen zu mir, die haben einen sogenannten „Geburtsplan“ über vier A4-Seiten, wo draufsteht: Ich komme in den Kreissaal. Ich will, dass man das und jenes sagt. Dann möchte ich in die Wanne, dann möchte ich meine eisgekühlten Chocolate Chips, zusätzlich will ich einen Cappucchino mit Mandelmilch. Ich schaue mir diese Geburtspläne immer an und es ist halt so, man kommt in den Kreissaal und dann passiert einfach etwas und vielleicht will man das, was man sich vorher aufgeschrieben hat, gar nicht. Man sagt vielleicht, man möchte eine Wassergeburt und dann setzt man sich in die heiße Badewanne und denkt sich, oh mein Gott, ich will raus. Oder man sagt, man möchte an einem bunten Seil hängen und mich entspannen und dann sagt man, bitte lasst mich ins Bett. Es ist einfach nicht absehbar. Unter der Geburt will man vielleicht etwas ganz anderes als das, was man sich vorher vorstellt und ich meine, es ist das Klügste, sich einfach immer zu sagen, es wird sein was es ist und sich dem ein bisschen zu öffnen und zu sagen, man wird sich gut um mich kümmern, ich habe gute Leute um mich herum, ich habe ein gutes Spittal, da fühle ich mich wohl oder ich habe auch eine Hausgeburt, das muss jede Frau für sich entscheiden und dann wird das auch richtig sein, aber man muss sich der Natur geben. Man darf nicht glauben, dass man da alles beeinflussen kann. Wenn ich es beeinflussen will und sage, so und so soll es sein, muss ich ganz ehrlich sagen, dann bleibt einem nur noch der Kaiserschnitt. Und das ist halt schade, weil ich glaube, dass es doch immer noch das Natürlichere ist, spontan zu entbinden. Natürlich und einfach von selbst.

 

 

 

 

Barbara: Es ist ja auch bei der Spontangeburt normalerweise auch so, dass auch vermehrt das Bindungshormon ausgeschüttet wird als bei einem Kaiserschnitt.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Ja, das ist definitiv so.

 

 

Barbara: Ich weiß nicht mehr, wer das erzählt hat, ich glaube, das war in meiner Pädagogik-Ausbildung als wir für zwei Semester eine Psychiaterin hatten, die uns über die entwicklungspädagogischen Stadien informiert hat. Die Frage war damals sehr spannend, nämlich, warum kommt ein Mensch so unperfekt auf die Welt und warum braucht er so viel Betreuung? Die Antwort war de facto deshalb, weil sein Gehirn so plastisch ist, dass er sich an seine Umwelt anpassen kann. Deshalb kann er noch nicht alles von Anfang an, weil er schauen muss, was er denn entwickeln muss, um dort zu überleben, wo er ist. Das fand ich total spannend.

 

Eine zweite Sache war dann bezüglich des Bindungs-Hormons: Sie hat gesagt, das Schönste auf der Welt und das kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat, ist der erste Blick des eigenen Kindes, der sagt, beschütze mich. Sie hat gesagt, wenn man diesen Blick von dem Kind bekommt, dann geschieht etwas mit einem, das geht gar nicht anders, dass man alles für das Kind macht, dass man bereit ist. Das fand ich total spannend.

 

Dr. Kucera-Sliutz: Ja, wobei da muss ich jetzt schon auch in die Presse springen für Frauen, die vielleicht auch einen Kaiserschnitt brauchen, weil sie einfach nicht spontan entbinden können, weil das Kind zum Beispiel in einer Beckenendlage ist, das ist eine Risikogeburt und da ist manchmal ein Kaiserschnitt vielleicht doch vernünftiger. Oder das Kind hat ein geschätztes Geburtsgewicht von 4,5-5 kg, dann ist es vielleicht auch vernünftiger, einen Kaiserschnitt zu machen. Es macht ja nicht jede Frau einen Kaiserschnitt, weil sie die Geburt planen will, sondern einfach auch, weil es tatsächlich medizinische Ursachen gibt und auch bei diesen Frauen wird das im Operationssaal üblicherweise so gemacht, dass der erstens mal in der Nähe des Kreissaals ist, das heißt auch dabei bekommen die Frauen auch gleich nach dem Kaiserschnitt ihr Baby in den Arm, weil wir wissen, dass da dieses Bindungshormon ausgeschüttet wird, das Bonding- Hormon, das Prolaktin.

 

Ich möchte noch etwas sagen zu diesem Baby-Blick, oft blicken die Babys gar nicht, haben die Augen zu und sind total zufrieden, weil sie bei den Müttern sind und weil sie die Stimme hören und weil sie sich halt gut anpassen an die Umwelt. Aber ich glaube, es ist trotzdem einer der archaischsten Momente, die es überhaupt gibt und ich halte ihn für den tollsten Moment doch für die meisten Frauen, wenn sie ihr eigenes Kind in den Armen halten.

 

Ich glaube, man darf das aber auch wieder nicht so bewerten, für die einen Frauen ist es halt wirklich schön bei der Spontangeburt und für die anderen ist es genauso toll beim Kaiserschnitt. Also ich versuche wirklich als Gynäkologin, wenn einmal der Wunsch kommt von einer Patientin, die sagt, „ich wünsche mir einen Kaiserschnitt, weil“, dann sage ich nicht, dass das ganz schlecht wäre, sondern ich frage zuerst einmal, was hat sich in Ihnen getan, wieso ist das so? Bei einer Patientin von mir war es zum Beispiel wirklich so, ihre Mutter war mit einem Geschwisterkind schwanger und bei der Geburt kam es zu Komplikationen und das Kind war dann schwer behindert für sein ganzes Leben und wenn es so einen Fall in der Familie gibt, kann es sein, dass das Thema Geburt dieser Frau nur Angst macht und dann finde ich, sollte man den Kaiserschnitt wirklich so gestalten, dass er heimelig ist und diese Momente doch ein bisschen wiedergibt und das kann man so machen.

 

Wir nennen das heute den „Kaiserschnitt light / soft“, wo auch das Licht ein bisschen abgedunkelt wird, wenn dann das Baby da ist. Das Baby liegt bei der Mutter und man lässt es möglichst lange bei der Mutter und man versucht wirklich, eine ähnliche Atmosphäre wie im Kreissaal zur Verfügung zu stellen und eigentlich ist das heute auch der normale, moderne Ansatz. Ich weiß schon, was sie meinen und ich verstehe Sie, aber wie gesagt, es ist halt auch nicht allen Frauen gegeben, es kann auch mal ein Schädel-Becken-Missverhältnis vorliegen und dann können die Frauen gar nicht anders entscheiden, weil es halt nicht klappt.   

     

 

Barbara: Das stimmt, ich erinnere mich jetzt auch an die Geburt von einer Freundin, die glaube ich 24 Stunden in den Wehen war und dann ging es einfach nicht mehr. Sie wollten das Kind schon mit der Saugglocke holen und dann hat sie die Kraft verlassen und es war gut, weil der Kopf nie durch das Becken durchgepasst hätte.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Ich sage meinen Patientinnen immer auf lapidar-französisch, es ist kein Wettbewerb! Wenn wir Kinder kriegen müssen wir weg von diesem Denken, wir schaffen was, wir machen etwas und das ist jetzt wie trainieren und ich habe es geschafft, ich hatte eine Spontangeburt, ich habe natürlich entbunden in 4 Stunden oder in 6 Stunden. Es geht auch nicht um die Zeit, es hat jede Frau ihr eigenes Programm. Auch jedes Kind, das auf die Welt kommt, hat sein eigenes Programm, seine eigene Notwendigkeit, seine eigene Methode und seinen eigenen Weg. Es wäre mein Wunsch für alle Frauen wegzukommen von dem Denken, ich mache das so und ich schaffe das und ich kann das. Es geht hier nicht ums Können, es ist einem gegeben, die Natur bestimmt das für einen und man muss sich dem ergeben und so wie es ist, ist es gut. Man ist auch nicht die bessere Frau, wenn man jetzt spontan entbunden hat und eine schöne vaginale Geburt hatte und man ist auch nicht eine bessere Frau, wenn man einen Kaiserschnitt hatte. Es ist einfach so, wie es für jede Frau individuell passt, das Richtige. Man darf auch nicht sagen, so jetzt habe ich versagt, weil dies oder jenes nicht gegangen ist und vielleicht habe ich etwas falsch gemacht, denn man hat nichts falsch gemacht!

 

Man kann sich einfach nur zur Verfügung stellen und letztendlich ist es ja beim schwanger werden auch so, man stellt sich zur Verfügung und dann klappt es oder man braucht Hilfe dazu, aber trotzdem ist beides gleich gut.

 

 

Barbara: Und wie viele Kaiserschnitte sagt man verkraftet man heutzutage, weil das ist oft die eigentlich größere Angst bei den meisten Frauen, die ich in der Beratung erlebt habe. Wir machen ja Schwangerschafts-Konflikt-Beratung, das heißt, wir haben ja die Konfliktfälle und nicht die Normalfälle. Wir haben einfach die Erfahrung gemacht, nachdem ein, zwei oder auch drei Kaiserschnitte waren, dass dann, wenn die Frau wieder schwanger ist und das Kind zwar eigentlich schon wollen würde, die Mutter dann aber Angst vor der Geburt bekommt und überlegt, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, das Kind doch abzutreiben, weil vielleicht die Komplikationen zu groß wären und ihr eigenes Leben vielleicht in Gefahr wäre. Wie schaut das tatsächlich aus?

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Abzutreiben, weil ein Kaiserschnitt war und man sich denkt, das ist jetzt vielleicht zu früh, das ist wirklich komplett verkehrt. Man sollte sich zunächst einmal wirklich mit dem Gynäkologen zusammen hinsetzen und überlegen, wie lange der Kaiserschnitt her ist. Es gibt eindeutige Daten in der Medizin, man kann heutzutage alles wirklich mathematisch genau korrekt überlegen, je nachdem wie lange der Kaiserschnitt her ist, gibt es schöne Studien, die zeigen, wie hoch das Risiko tatsächlich ist, dass es zu einem Reißen dieser Narbe kommt.

 

Ich sage jetzt nur ein paar Zahlen, damit man sich ungefähr etwas vorstellen kann. Wenn der Kaiserschnitt weniger als 12 Monate her ist, also das bedeutet, dass ich schon drei Monate nach dem Kaiserschnitt schon wieder schwanger geworden bin und das Kind käme also bereits nach einem Jahr auf die Welt, dann liegt das Risiko, dass es zu einem Riss in der Gebärmutter kommt, bei etwa 4-5%. Wenn der Kaiserschnitt aber über 24 Monate her ist, beträgt das Risiko nur noch 0,9%, also unter einem Prozent. Das heißt, das ist ja eigentlich ein relativ geringes Risiko, da kann man sich die Schwangerschaft auf jeden Fall zutrauen. Sollte es wirklich so sein, dass das Kind binnen so kurzer Zeit auf die Welt käme, dann wird man sich halt für den primären Kaiserschnitt entscheiden müssen und das mit dem Gynäkologen planen. Man wird den Termin für den Kaiserschnitt vielleicht auch ein paar Tage vor dem errechneten Geburtstermin ansetzen, damit es auf keinen Fall zum Einsetzen der Wehen kommt und dass man das dann einfach so plant. Aber das sollte nie ein Grund sein. Für mich geht es um die prinzipielle Frage, möchte ich noch ein Kind, ja oder nein?

 

Vielleicht sollte man nach der ersten Geburt auch ganz ehrlich mit dem Gynäkologen reden, an sich ist man nicht hundertprozentig geschützt, wenn man stillt. Das ist auch ein bisschen so ein Volksaberglaube, ich stille, daher kann ich nicht schwanger werden. Das stimmt nicht. Man kann auch während des Stillens und auch ohne Regelblutung schwanger werden und insofern ist halt mal die Verhütung mal an erster Stelle nach einem Kaiserschnitt und gut wäre es halt, wenn man erst eineinhalb bis zwei Jahre später erst das nächste Kind bekommt. Dann hat man die Chance auf eine Spontangeburt, wenn man das möchte und ansonsten gibt es immer auch die Möglichkeit sich primär für den Kaiserschnitt zu entscheiden. Auch das ist eine Option, die man einfach auch andenken müsste.

 

Aber abzutreiben, weil man sagt, man traut sich das nicht zu und das Risiko ist zu hoch, das ist unrichtig und auch nicht notwendig.

 

Und wie viele Kaiserschnitte sind möglich? Das hängt ein bisschen von der operativen Methode ab. Diese Methode, die ich erwähnt habe nach Misgav-Ladach, der „Kaiserschnitt light“, die sanftere Variante aus Israel stammend, da kann man viele Kaiserschnitte machen, ich möchte jetzt gar keine Anzahl nennen, wobei vier oder fünf Kaiserschnitte sicher kein Problem sind. Es geht immer darum, wie wurde der Schnitt in der Gebärmutterwand gesetzt, wurde er quer oder längs gesetzt.  An sich hat der quere Schnitt das geringere Rupturrisiko. Der Längsschnitt, der sogenannte T-Schnitt hat ein höhere Rupturrisiko. Es kommt generell immer darauf an, wie die Operation gemacht wurde. Nicht, dass es da schlechte Operateure gäbe, jeder macht das sicher sorgfältig und gut, aber wenn zum Beispiel ein Kaiserschnitt gemacht werden musste auf Grund einer Notsituation, weil es zum Beispiel einen Nabelschnurvorfall gab oder die Herztöne des Kindes plötzlich bei Null waren, dann kann es schon sein, dass das rascher und akuter gemacht wurde und dass dann nicht so sehr die sanfte Methode verwendet wurde, dass vielleicht auch ein T-Schnitt notwendig war und da ist das Rupturrisiko höher und da würde ich sagen, es wäre besser, man hat nicht 4 oder 5 Kaiserschnitte, aber bei der sanften Methode stellen auch 4 oder 5 Kaiserschnitte kein Problem dar.

 

Es ist nur so, von Kaiserschnitt zu Kaiserschnitt ist es immer eine Reoperation, es kommt natürlich zu Vernarbungen im Gewebe und es dauert halt alles ein bisschen länger, weil man es sorgfältiger präparieren und operieren muss, aber im Prinzip können das die Gynäkologen schon und das muss man dann halt einfach auch als Patientin wissen, beim ersten Kaiserschnitt dauert es heiße zwei bis drei Minuten, bis man das Kind schreien hört und wenn es sich halt um einen zweiten oder dritten Kaiserschnitt handelt, dann dauert es halt zehn Minuten, weil es unter Umständen ein bisschen mehr präpariert werden muss. Aber das ist in der heutigen Zeit mit den Möglichkeiten, die wir haben, auch nicht so ein großes Problem.

 

 

Barbara: Vielen Dank! Ich glaube, wir haben damit jetzt alle Fragen zum Kaiserschnitt, die ich hatte oder die ich in der Beratung auch immer wieder gestellt bekommen habe, abgearbeitet.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Es wäre mir noch kurz ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass es keine Konkurrenz zwischen Gynäkologen und Hebammen ist, im Gegenteil! Ich motiviere meine Patientinnen auch immer, auch zu einer Hebamme zu gehen und auch mit den Hebammen zu sprechen, die auch einen sehr großen Erfahrungsschatz haben und ich glaube, schöne Geburten können nur stattfinden, wenn Hebammen und Ärzte gut zusammenarbeiten und auch da kann man sich viel Sicherheit und Information holen und man sollte sich, damit alles gut klappt, immer ein gutes Team zurechtfinden, sei es nun in einem Spittal oder mit einer privaten Hebamme oder auch einfach mit einem Setting, wo man sich selber wohl fühlt. Ich glaube, dass ganz viel davon gut gemacht werden kann. Die richtige Umgebung, das richtige Setting macht schöne Geburten. Ich sage auch immer, die Vorbereitung zur Geburt und die Betreuung der Geburt, das ist die halbe Geburt schon an sich. Also wenn man sich da wohl fühlt, geht man ganz anders hinein.

 

 

Barbara: Wunderbar. Es gibt ja mittlerweile auch die mögliche Hebammen-Beratung im Rahmen der Mutter-Kind-Untersuchungen.

 

 

Dr. Kucera-Sliutz: Ja genau. Das ist gratis für Schwangere in der 17. bis 20. Woche und da kann man sich einfach mal eine erste Idee holen. Die meisten Hebammen bieten auch eine postnatale Betreuung an, also nach der Geburt. Das wird von der Krankenkasse dankenswerterweise auch unterstützt und auch das ist sehr wichtig. Also man hat heute wirklich gute Unterstützungsmöglichkeiten.

 

 

Barbara: Dann danke ich Ihnen ganz herzlich für das Interview über den Kaiserschnitt.

 

Euch lieben Leserinnen und Lesern wünsche ich einen wunderschönen Abend, eine gute Nacht oder einen wunderschönen Morgen!

 

Eure Rosa Blume

 

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